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Ein ganz normaler Morgen

 

Ich habe es mir gerade bequem gemacht, mich neben ihr ausgestreckt, meinen Kopf auf ihre Schulter gelegt, die Augen geschlossen, einen wohligen Seufzer ausgestoßen, da ertönt ein infernalisches Geräusch. Sie dreht sich, um den Lärm zu stoppen - und stößt mich aus dem Bett. Verflixter Wecker, seltsame Erfindung der Menschen.

Dabei ist es doch so schön im Bett, frühmorgens, wenn es noch kalt ist draußen - und dunkel - und ungemütlich. Zu zweit im warmen Nest, an mein Frauchen gekuschelt, träumen von Mäusen, Spinnen und anderem Getier, mit dem das Spielen herrlich ist und das man, wenn die Lust erlischt, einfach laufen lässt. Dosenfutter schmeckt sowieso besser - nicht so blutig.

Doch da sitze ich vor dem Bett, schlage mit dem Schwanz und fange an, mit meinem Verlegenheitsputzritual. Unangenehme Sache das, jeden Morgen das gleiche Spiel.

Frauchen dreht sich nochmal um und ich springe wieder ins Bett zurück, lasse mich ganz nah an ihren Körper plumpsen und drücke mich ganz dicht an sie heran. Sie legt einen Arm um mich, murmelt etwas und ich fange an zu schnurren. Neun Minuten lang - bis zum nächsten Klingeln.

Jetzt reicht es aber, ich strecke mich, erst ein Bein nach hinten, dann das andere und zuletzt den Körper ganz lang gemacht. Langsam laufe ich auf meinen weichen Pfoten ins Wohnzimmer und setze mich auf die Lehne des Sofas. Jetzt wird es aber Zeit, dass diese Langschläferin aufsteht und den Futternapf füllt. Das dauert heute wieder ewig.

Na gut, dann eben die erste Katzenwäsche, vom Kopf bis zum Schwanz und ein bißchen die Augen dabei zugekniffen. Noch die Pfote nass gemacht und den letzten Schlaf aus den Augen gerieben, hinter den Ohren geputzt, zum Schluß die Barthaare, fertig. Wie gut, dass wir Katzen geduldig sind.

Endlich, da kommt sie. Uhh, sie schwankt, die Augen sind auch noch nicht auf, irgendwie auch zugeschwollen - ach ja, der Kreislauf, die Gräserpollen und die Katzenallergie. Hatschi, der Griff zum Allergiespray, Augentropfen, Asthmaspray. Das dauert immer! Endlich der Weg in die Küche.

Während das Wasser für den echt englischen Early Morning Tea kocht, wird auch schon aufgetischt - na ja, das heißt eigentlich wird uns aufgetischt. Da kommt auch meine Mitbewohnerin, die schwarz-weiße Dame, die hier bei uns wohnt. Sie setzt sich auf die Anrichte und schnurrt - und wird gestreichelt - Angeberin - und ich muss auf mein Fressen warten! Na ja, zugegeben, manchmal ist es ja ganz schön, sie durch die Wohnung zu jagen und ihr zu zeigen, wer hier der Herr im Haus ist. Solange sie das akzeptiert, darf sie hierbleiben - im Hintergrund, denn die Nummer eins bin ich!

Ich rieche an meinem Katerfrühstück, von weitem, ganz vorsichtig strecke ich mich, der Hals wird lang, die Nasenflügel beben, die Oberlippe vibriert. Na, gar nicht mal so schlecht, was da in meine Nase dringt, ich probiere mal, den Rest hebe ich auf für später, wenn mehr Ruhe herrscht - dann trolle ich mich.

Wie jeden Morgen setze ich mich anschließend statuenartig auf den runden Tisch auf den Balkon und sonne mich und warte. Frauchen kommt eine halbe Stunde später, geschminkt und in sportlichem Outfit und hat noch ein paar Minuten für mich. Sie streichelt mit beiden Händen zärtlich vom Kopf bis zum Schwanz und legt ihre Stirn auf meine, ganz so, als wolle sie meine Gedanken lesen (dabei lese ich ihre, sie weiß es nur nicht). So, ich werde hineingetragen, die Balkontüre und die Vorhänge werden geschlossen. Frauchen schaltet den Strom für den Wasserkocher aus, zieht die Jacke an, schiebt ihre langen Haare unter die Schirmmütze, schultert den Rucksack und öffnet die Eingangstüre.

Ganz kurz husche ich in den Hausflur, rieche am Abstreifer des Nachbarn, werde gewaltsam zurückgebracht, die Wohnungstür schließt sich. Endlich Ruhe, wurde ja auch langsam Zeit. Katzen brauchen viel Schlaf und viele einsame Stunden zum Dösen. Ich lege mich auf das Bett, mit einen halben Meter Sicherheitsabstand zu der black and white Lady. Augen zu und träumen - von den Mäusen - und den Spinnen - und davon, dass mein Frauchen bald wieder nach Hause kommt, ohne sie ist es halt doch langweilig!

Euer Bärle

© Petra Schuster
Nürnberg, 11.09.2002