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Telekolleg 2000 - 2002 |
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Sozialkunde |
2. Sicher und sozial?
- Sozialstaat
- Prinzip der Sozialstaatlichkeit ist in der BRD ein bindender Verfassungsgrundsatz (neben dem der Rechtsstaatlichkeit)
- der Staat ist zu einer Politik verpflichtet, die jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht
- er muss die Lebenssicherung (wenn keine andere Hilfe vorhanden) garantieren
- er muss für die Gesundheit seiner Bürger Vorsorge leisten
- er muss die sozial schwächeren Gruppen unterstützen
- Sozialpolitik
- gesetzliche Maßnahmen eines Staates zur Verteilung des Sozialproduktes
- Ziel: ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit erreichen
- Sozialbudget
- die gesamten Sozialleistungen
- Kindergeld, BAFÖG, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Bausparprämie, Rente; Krankengeld usw.
- Soziales Netz
- das System der sozialen Leistungen
- soll verhindern, dass Menschen infolge von Krankheit oder Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit u.a. keine Existenzmöglichkeit mehr haben
- Kern ist das Sozialversicherungssystem
- Krankenversicherung
- Unfallversicherung
- Rentenversicherung
- Arbeitslosenversicherung
- durch Zwangsmitgliedschaft gehören die meisten Arbeiter und Angestellten diesen Versicherungen an
- Neue soziale Frage
- früher: vor allem die Arbeiter waren sozial, politisch und materiell unterprivilegiert
- heute: Kinderreichtum, Rolle des Alleinerziehenden, Dauerarbeitslosigkeit, Alter usw. können zu Armut führen
- Subsidiaritätsprinzip
- nur wenn kleinere soziale Gemeinschaften (wie die Familie) die soziale Aufgabe nicht erfüllen können, greift die umfassendere Gemeinschaft (Gemeinde, Länder, Bund) unterstützend ein
- Generationenvertrag
- die arbeitende Bevölkerung deckt durch ihre Beiträge zur Sozialversicherung auch die Kosten ab, die durch die Versorgung anderer entstehen, die nicht mehr arbeiten können
- d. h. die junge Generation sorgt für die gesicherte Existenz der alten Generation
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- Solidargemeinschaft
- Übereinkunft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, Risiken, wie Krankheit oder Unfall sowie Alterssicherung durch gemeinsame Zahlungen an Versicherungen aufzufangen
- Ausgleich von Fehlbeträgen durch den öffentlichen Haushalt
- Pflegeversicherung
- umlagenfinanzierte Pflegeversicherung unter dem Dach der Krankenversicherung
- 5. Säule des Sozialsystems,
- 1995 in zwei Stufen in Kraft getreten
- Versicherung zur Absicherung des Risikos im Falle einer Pflegebedürftigkeit
- Finanzierung durch das Umlagenverfahren
- Beiträge sind einkommenbezogen gestaffelt
- gemäß dem Subsidiaritätsprinzip muss nach diesem Modell jeder selbst diejenigen Kosten aufbringen, die ihn nicht überfordern, Rest wird von der Versicherung getragen
- Familienangehörigen werden in die Versicherung einbezogen
- Tarife sind gestaffelt
- Umlageverfahren
- Leistungen für die bereits Pflegebedürftigen werden durch Beitragszahler im Rahmen einer Sozialversicherung finanziert
- Vom Einkommen wird soviel einbehalten, wie zum jeweiligen Zeitpunkt zur Abdeckung der Kosten benötigt wird
- Kapitaldeckungsverfahren
- Mittel für etwaige künftige Leistungen werden im Rahmen einer privaten Versicherung angespart
- jede Generation versorgt sich selbst
- bezogen auf die Pflegeversicherung:
- der Generationenvertrag kann hier nicht gelten
- Übergangsfinanzierung durch den öffentlichen Haushalt ist nötig um die gegenwärtig Pflegebedürftigen zu versorgen, die noch nichts ansparen konnten
- Sozialstaatspostulat
- Die BRD ist ein "demokratischer und sozialer Bundesstaat" (Art. 20 Abs. 1 GG)
- Der Staat ist verpflichtet, für jeden Bürger die notwendigen sozialen und materiellen Voraussetzungen zu schaffen, damit er die im Grundgesetz garantierten Grundrechte auch wahrnehmen kann
- Das Sozialstaatspostulat legt dem Staat zwei große Zielsetzungen auf:
- den sozialen Ausgleich
- die Sorge für die soziale Sicherheit
- soziale Grundwerte
- Schutz der Menschenwürde (Art 1 GG)
- besonderer Schutz des Staates für Ehe, Familie und Mutter (Art. 6 GG)
- Koalitionsfreiheit für Arbeitnehmer und andere Interessenvertreter (Art. 9 GG)
- Recht auf Privateigentum (Art. 14 GG)
- Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 GG)
Geschichtlicher Exkurs (ab hier nicht prüfungsrelevant)
- Entstehung der Idee eines sozialen Staates steht in engem Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Umbrüchen der Industriellen Revolution im 19. Jh.
- viele Handwerker verloren Ihre Arbeit durch die Maschinisierung und wurden Arbeiter in den Fabriken
- so entstand der sog. vierte Stand, das Proletariat
- Proletarier = besitzloser, weisungsunabhängiger Fabrikarbeiter, dessen materielle uns soziale Existenz in vieler Hinsicht bedroht war
- die Stundenlöhne waren so gering, dass sie bis zu 14 Std. täglich arbeiten mussten
- trotzdem mussten Frauen und Kinder mitarbeiten, weil das Geld nicht reichte
- Arbeitsbedingungen waren meist sehr gesundheitsschädlich und gefährlich
- Wohn- und Lebensverhältnisse waren verheerend
- erste Phase der Sozialpolitik
- von Staatsdenkern und Vertretern der beiden christl. Kirchen soziale Fürsorge gefordert
- Ergreifen von Maßnahmen zum Schutze des Proletariats gefordert
- Anfänge der Arbeitersschutzgesetzgebung: der Staat traf Regelungen hinsichtlich der Frauen- und Kinderarbeit
- zweite Phase der Sozialpolitik
- Bismarck wollte den bürgerlichen Staat stabilisieren (gegen die Arbeiterbewegungen, auch gegen die Marxisten und Kommunisten)
- er führte drei Gesetze als Grundlage für ein System der Sozialversicherung ein
- 1883 Krankenversicherungsgesetz
- 1884 Unfallversicherungsgesetz
- 1989 Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz
- wenige wurden so alt, dass sie etwas bekamen und wenn, dann war es sehr knapp
- Arbeitnehmer lehnten die Gesetze ab
- weil sie sie mitfinanzieren mussten
- sie fühlten sich durch die staatliche Gesetzgebung eingeschränkt
- dritte Phase der Sozialpolitik
- Ablösung der Monarchie durch Weimarer Republik
- Weimarer Verfassung enthielt eine ausgeprägte sozialstaatliche Programmatik
- Zusammenschluss von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften zur Zentralen Arbeitsgemeinschaft, Einigung auf die folgenden Punkte
- Stinnes-Legien-Abkommen
1918 (Abkommen zwischen dem Vertreter der Unternehmer Hugo Stinnes und dem Vertreter der Gewerkschaften Karl Legien)
- offizielle Anerkennung der Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiterschaft
- gesetzliche Einführung des Acht-Stunden-Tages
- Anerkennung der Verbindlichkeit von Tarifverträgen
- staatliche Schlichtung bei Lohnkämpfen
- Einführung von Betriebsräten
- jedoch wieder Einschränkungen (vor allem wegen der Wirtschaftskrise 1929)
- 1927 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
- vierte Phase der Sozialpolitik
- nach dem 2. Weltkrieg Sozialstaatspostulat
- sozialpolitische Grundlagen (1949 - 1953)
- Lastenausgleichsgesetz von 1952
- Umverteilung der noch verbliebenen Vermögenswerte
- alle, die zum Zeitpunkt der Währungsreform (Juni 1948) mehr Geld- bzw. Sachvermögen von mehr als 5000 DM besaß, musste die Hälfte des Überschusses zugunsten derjenigen, die alles verloren hatten, abgeben
- Zeitraum der Abgabe: 30 Jahre in gleichbleibenden Raten
- sozialer Wohnungsbau
- Montanmitbestimmungsgesetz
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten gemeinsam die Verantwortung für die Führung der Unternehmen übernehmen
- paritätische Mitbestimmung
- in größeren Betrieben des Bergbaus und in der Eisen- und Stahlindustrie eingeführt
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellten zu gleichen Teilen den Aufsichtsrat
- Betriebsverfassungsgesetz von 1952
- gewährte den Arbeitnehmern nur eine Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat
- Betriebsrat war verpflichtend bei mehr als fünf Beschäftigten
- Reform und Ausweitung des Sozialen Systems (1952 - 1969)
- Kindergeld
für alle Arbeitnehmer und Selbständige mit mehr als drei Kindern- Vermögensbildung
für nicht so gut verdienende Bevölkerungsschichten
- Sozialprämiengesetz 1959,
- Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer 1961
- Bundessozialhilfegesetz
von 1961 = Rechtsanspruch auf Sozialhilfe- Mietbeihilfe
bei geringem Einkommen und hohen Mietkosten- Rentenreform
von 1957 - Beschluss der dynamischen Rente
- Renten werden der Entwicklung von Löhnen und Gehältern angeglichen
- der sog. Generationenvertrag wurde geschlossen
- Ausbau des sozialen Netzes durch die sozial-liberale Koalition (1969 - 1982)
- unter Willy Brandt "Politik der inneren Reformen"
- Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFÖG) 1971
- Arbeitsförderungsgesetz
- flexible Altersgrenze 1972
- Mutterschaftsurlaub bei Lohnfortzahlung
- Ausbau des Mietrechts
- Erhöhung der Sozialrenten
- Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes
- neues Mitbestimmungsgesetz (1976) - Unternehmen mit über 2000 Beschäftigen bekommen einen Aufsichtsratssitz für Arbeitnehmer
- Probleme des Sozialstaats
- Kostenexplosion bei den Sozialversicherungen durch
- Wandel der Beschäftigungsstruktur
- neue Formen der sozialen Sicherung (ständiger Ausbau des sozialen Netzes)
- politische Ausweitung (Ausweitung der Sozialleistungen aufgrund Wahlkampfversprechungen)